Neapel katholisch

Religion und Brauchtum - zwei Seiten einer Medaille

Neapel zu Ostern ist eine Reise wert. Ich erinnere mich vor allem an die vielen kleinen Gruppen: Musikkapellen und Standarten-Träger. Diese Prozessionen ziehen den ganzen Ostersonntag durch die Altstadt. Einmal folgte ich einer Gruppe und geriet in einen privaten Innenhof, in dem eine lebensgroße Statue des Heiligen Padre Pio aufgestellt war. In Ehrerbietung tanzten die Standartenträger vor dem Heiligen mindestens eine Viertelstunde. Ich schaute zu und staunte.

Prozessionsbesuch bei Padre Pio, dem Popstar unter den Heiligen in Süditalien
Prozessionsbesuch bei Padre Pio, dem Popstar unter den Heiligen in Süditalien

Die Osterbräuche in Süditalien sind schon sehr anders als bei uns. Nicht nur, dass keine Ostereier gesucht werden. (Ich habe mehrmals nachgefragt: Man macht es wirklich nicht.) Was sich zu Ostern in Neapel abspielt, ist ein sehr religiöses Brauchtum, das aber mehr als generationsübergreifender Straßenkarneval daherkommt. Wäre da nicht dieser Aspekt, den ich den Märtyrer-Effekt nenne. Wie auch am Karfreitag auf Procida, erbringen auch in Neapel die jungen Männer  bei ihren Standartentänzen eine außerordentlich kräftezehrende, körperliche Anstrengung. Die schweren Gestelle, deren Stange in einer Gürteltasche des Trägers endet, werden nicht nur getragen. Die Jungen tanzet damit, gehen in die Knie, auf den Boden und stehen wieder auf. Sie führen dabei heftige Bewegungen aus und mühen sich dabei so ab, dass sie ganz rot im Gesicht sind vor Anstrengung. Das gehört sich so.